Martin Manz / Reinhard Matz
Unsere Landschaften
  Vorwort
Wenn es wahr ist, dass die Geschichte der Natur und die Geschichte der Menschen sich gegenseitig bedingen und nicht voneinander zu trennen sind, müssen wir angesichts der uns heute umgebenden Landschaften erschrecken. Das sind längst nicht mehr die Landschaften der berühmten romantischen Gemälde von vor 150 Jahren. Es sind auch schon lange nicht mehr die Landschaften, wie sie August Sander vor 40 oder 50 Jahren fotografierte. Das dort angelegte Heilsversprechen durch die Natur muss heute versagen: wie die Gesellschaft werden auch unsere Landschaften mehr und mehr durch eisige Zweckrationalität, gefühlloses Rentabilitätsdenken und aalglatte Gewalt beherrscht. Zivilisation und Landschaft bilden keinen Gegensatz mehr.

Der französische Filmregisseur François Truffaut hat einmal gesagt, man müsse Gesichter aufnehmen wie Landschaften. Man kann diesen Satz umdrehen, Landschaften sollten so fotografiert werden wie Gesichter: so entstehen Landschaftsportraits. Wir glauben, dass solche Landschaftsportraits heute genauso auf den Zustand einer Gesellschaft verweisen wie Fotografien der Menschen, die diese Landschaften bewohnen.

"Unsere Landschaften": damit verbinden wir zunächst einmal einen Gebrauchsanspruch, – hier wohnen und arbeiten, hier erholen und amüsieren wir uns. Damit sind es zugleich die Landschaften, die unser Leben bestimmen, – wir sind auf sie angewiesen und können ihnen nicht ausweichen. Deshalb kann ihr Zustand uns auch nicht gleichgültig bleiben. Andererseits sind es "unsere Landschaften", so wie wir sie haben werden lassen, Ergebnisse unseres Umgangs mit der Natur, Ergebnisse, die wir zu verantworten haben. Schließlich aber sind dies "unsere Landschaften", so wie wir sie als Fotografen zu Bildern gemacht haben, wie wir unserer Umwelt gegenüber eine Haltung einnehmen, die sich in unseren "Einstellungen" vergegenständlicht. – In diesem Sinne handelt es sich bei den hier gezeigten Aufnahmen im Grunde um nichts anderes als "Heimatfotos" – auch wenn, oder gerade weil man darunter meist etwas ganz anderes versteht …

Die Fotografien dieses Buches entstanden zwischen 1975 und 1979 ausschliesslich in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin. Das Thema Landschaft begann uns unabhängig voneinander etwa zur gleichen Zeit zu interessieren. Seit Herbst 1976, als wir uns in der Fotoklasse der FH-KöIn trafen, stehen wir darüber in intensiver Auseinandersetzung.

Köln, Februar 1980